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Hamburg. Das Konzert von Patricia Kopatchinskaja: Die Bühne ist leer. Okay, der Kniff ist nicht neu, aber immer wirkungsvoll. Und zu diesem Konzertbeginn passt er besonders gut. Das Ohr muss sich aus der Komfortzone begeben, weshalb es selbst die feinen Streicherharmonien aus dem Off wahrnimmt, die Klanghäufungen der Holzbläser und erst recht den Ruf der Trompete in Charles Ives' "The Unanswered Question".
Doch eigentlich hat "Bye Bye Beethoven", das letzte Konzert der Geigerin Patricia Kopatchinskaja im Rahmen des Musikfests, schon vorher begonnen. Begleitet vom Ticktack einer Uhr, fahren Scheinwerfer über die Wand, die Lani Tran-Duc auf die Kampnagel-Bühne gestellt hat. Auf der rostigen Fläche rücken Uhrzeiger in die falsche Richtung, drehen sich stilisierte Wassertropfen. Kopatchinskaja ist mit einem Konzept nach Hamburg gekommen, das sie sich vor zwei Jahren für das damals schon bedrohte SWR Sinfonieorchester ausgedacht hat, eine sehr persönliche Collage um Beethoven herum.
Kopatchinskaja gibt Rappeinlage
Auf Ives erwidert György Kurtág mit "The answered unanswered question" in ähnlich farbig-zarten Klangflächen. Kopatchinskaja rappt mit drei Sprechern John Cages Sprechgesang "Once upon a time", vier Blechbläser des Mahler Chamber Orchestra spielen eine herzinnige Fassung des Bach-Chorals "Es ist genug". Jedes hat seinen Platz in der Dramaturgie – einzig die Idee, den letzten Satz aus der Abschiedssinfonie von Haydn rückwärts zu spielen, wirkt etwas prätentiös.
Trotz des Mottos steht im Zentrum dann doch das Violinkonzert von Beethoven. Sprühend lebendig wie stets, spielt sie im Verein mit dem fantastisch aufmerksamen Mahler Chamber Orchestra. Da macht es Freude, all die Frechheiten, den politisch beseelten Sturm und Drang mit ihr zu entdecken. Und das wilde Wechselspiel, das Orchester und Solistin in den Kadenzen veranstalten, geht in Überblendtechnik über in die Uraufführung des Stücks "Crash" von Jorge Sánchez-Chiong, in dem es kracht und jault und splittert und genauso bedrohlich näher rückt wie die stählerne Wand.
Man muss nicht alles verstehen an diesem Abend. Man muss sich dem Gesamtkunstwerk nur überlassen und verlässt den Saal erfrischt an Ohren, Kopf und Herz. (vfz)
Das Konzert von David Garrett: Ja, der Verkaufsstand mit T-Shirts und Tourneepostern fällt schon etwas aus dem Rahmen. Fanartikel sind in der Kammermusik eher selten. Aber sonst? Ein ziemlich normales Konzert. Keine Lightshow, kein Trockeneis, keine Mätzchen. Hier gilt's (na ja: fast) der Kunst allein.
David Garrett – blonder Pferdeschwanz, dunkles Sakko, Sechstagebart – gibt sich beim Auftritt im prall gefüllten Saal der Laeiszhalle gar nicht popstargeigermäßig, sondern ganz seriös. Garrett beginnt das Recital mit der Violinsonate von César Franck, einem anspruchsvollen Meisterwerk der Spätromantik. Mit so einem halbstündigen Brocken fordert er seine Fans ganz schön. Dann verlässt ihn der Mut. Der Geiger streicht über weite Strecken so kerzengrade durchs Stück, wie er auf der Bühne steht; er setzt auf Sicherheit und süße, mitunter leicht angeglitschte Töne, anstatt ins Risiko zu gehen – dadurch bleibt vieles eine Spur zu glatt. In emotionale Tiefenschichten wagt er sich nicht: Trotz seiner Crossover-Rebellion ist viel vom einstigen Geigenwunderkind zu spüren; im 35-Jährigen steckt unverkennbar ein sympathischer Junge, der Fehler tunlichst vermeiden möchte. Das gelingt ihm auch, unterstützt vom Pianisten Julien Quentin als zuverlässigem Partner und treuem Begleiter.
Garrett schafft vertraute Atmosphäre
Garretts Technik ist über alle Zweifel erhaben. Das demonstriert er im zweiten Teil mit einem sauberen Dutzend beliebter Geigenschmankerln. Bei Virtuosennummern wie Bazzinis "Ronde des Lutins" beeindruckt er mit Hochgeschwindigkeitspräzision; in Schmachtfetzen wie Dvoraks "Humoreske" becircen er und Quentin mit edlem Schmelz.
Dass Garrett dazu dieselben Geschichten wie in anderen Städten vom Teleprompter abliest, nimmt ihm keiner krumm. Vor 2000 Menschen eine so vertraute Atmosphäre zu schaffen, das kann auch nicht jeder.
Für Puristen wäre so ein kleinteiliges Geigenschlagerzapping wahrscheinlich kein Vergnügen. Aber die sind ja auch nicht Zielgruppe. Durch seine Offenheit baut Garrett Hemmschwellen ab, er lockt viele Erstbesucher und verführt zum konzentrierten Zuhören. Damit stellt er sich in den Dienst der Musik – das verdient Respekt. Man muss ja nicht gleich ein T-Shirt kaufen. (stä)