05.12.15
Crossover
David Garrett: Konzerte sind Urlaub vom Leben
Er sei etwas ruhiger geworden, sagt David Garrett. Der Geiger ist seit zwei Jahrzehnten mit klassischer Musik sowie mit Crossover-Shows in großen Hallen unterwegs
Foto: Ricarda Spiegel
Von Volker Blech
David Garrett ist auf Werbetour. Der Geiger promotet das Crossover-Album „Explosive“ und bereitet seine Tourneen vor. Ein Gespräch
David Garrett ist gerade mit und ohne Geige auf Werbetour. Im Fernsehen ist er dieser Tage regelmäßig in Talkrunden und im Morgenprogramm zu erleben. Der Stargeiger hat sein neues Crossover-Album "Explosive" auf den Markt gebraucht, jetzt gilt es deutschlandweit viele Konzerttickets zu verkaufen. Im kommenden Jahr ist Garrett im Mai mit einem Klassikprogramm und im November/Dezember mit Crossover in großen Hallen unterwegs.
Berliner Morgenpost: Herr Garrett, es herrscht einige Angst vor Anschlägen. Hat das Einfluss darauf, wenn Sie jetzt Tourneen planen?
David Garrett: Ich möchte glauben nein. Ich würde nie Angst haben, auf die Bühne zu gehen. Ich werde auftreten, das schulde ich auch meinem Publikum, dass sich Tickets gekauft hat. Abends rauszugehen ins Konzert, sage ich immer, das ist Urlaub vom Leben. Die Leute brauchen Musik, um die negativen Dinge des Alltags zu vergessen. Und da darf kein ängstlicher Künstler auf die Bühne kommen.
Haben Sie das Thema mit Ihrem Team diskutiert?
Natürlich unterhält man sich darüber. Alles, was aktuell passiert, wird im engsten Kreis lang und ausgiebig diskutiert. Aber die klare Ansage ist: Das Leben muss weiter gehen. Ansonsten würden wir diesen Idioten, die Menschen töten und sich selbst in die Luft sprengen, nachgeben. Nein, wir genießen unsere Demokratie, unsere Freiheit. Darauf ist unser soziales System aufgebaut.
Sie sind viel unterwegs. Haben Sie nicht langsam die Flughäfen, die ewigen Sicherheitskontrollen, die wechselnden Städte und Hotels satt?
Ja, es gibt sicherlich Momente, in denen man sagt, jetzt möchte ich mich nicht in den Flieger setzen. Aber jeder hat in seinem Beruf Momente, wo er morgens mal nicht aufstehen möchte. Dass es einem mal körperlich oder seelisch nicht ganz gut geht. Das vergeht schnell, wenn man Spaß an seinem Beruf hat. Aber wir haben doch alle eine gewisse Disziplin im Leben erlernt, wie man den inneren Schweinehund überwindet.
Hat sich denn in all den Jahren etwas an Ihrer Lebensorganisation verändert? Sind Sie häuslicher geworden, leben Sie gesünder?
Das gerade nicht, aber ich bin ruhiger geworden. Ich bin selektiver geworden, was schnelle Antworten angeht. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass man über eine Entscheidung eine Nacht schlafen sollte. Denn wenn man eine Entscheidung impulsiv trifft, findet man nicht immer die richtigen Worte, diese Entscheidung zu erklären. Manchmal sind diplomatische Entscheidungen wichtig, um Leute nicht vor den Kopf zu stoßen.
Auf Ihrem neuen Album singt auch Xavier Naidoo. Der hatte gerade viel Trouble, nachdem der NDR ihn mal schnell für den Eurovision Song Contest auserwählt hatte. Es gab viel Kritik daran.
Da habe ich von gelesen.
Wie gut kennen Sie sich?In erster Linie verbindet uns das, was wir auf dem Album zusammen gemacht haben. Ich habe ihn über die letzten Jahre immer mal hier und dort gesehen. Das ist für Musiker, die ständig unterwegs sind, normal. Auf dem Album wollte ich einige Vocals haben. Einige Tracks waren frei. Ich habe einige Künstler, die ich toll finde und mit denen ich zusammen arbeiten möchte, angeschrieben, teilweise über meine Plattenfirma. Xavier habe ich ein paar Demos zukommen lassen. Er hat sich dann dieses Stück ausgesucht. Zwei Tage später hatte ich das fertige Produkt in meiner Email. Er hat wahnsinnig tolle Melodien aus dem Stück herausgekitzelt. Ich bin aus allen Wolken gefallen.
Befreundet sind Sie aber nicht?Es ist nicht so, dass wir uns die Türklinken in die Hand drücken. Aber es gibt einen großen künstlerischen Respekt
Gut, wer würde bei einem Angebot von David Garrett schon nein sagen?Das hat nichts mit Neinsagen zu tun. Ich werde auch oft für eine Zusammenarbeit angefragt. Ich bin da schon sehr selektiv. Und Xavier ist auch sehr wählerisch. Insofern habe ich mich geehrt gefühlt.
Naidoo war jetzt vor allem wegen seiner umstrittenen politischen Äußerungen in die Kritik geraten. Wie viel können Sie in der Öffentlichkeit von Ihren politischen und moralischen Ansichten preisgeben?
Moralische Dinge kann man immer äußern. Politische Dinge sind etwas anderes. Da halte ich mich immer bedeckt. Das werde ich auch in Zukunft tun. Es gibt Künstler, die das anders halten, und die dafür auch eine Plattform haben. Aber das ist nicht meins.
Auf dem aktuellen CD-Coverfoto kommen Sie ziemlich düster rüber. Wollen Sie jetzt lieber ein Bad Guy, ein böser Typ sein?Nein, das bin ich nicht und werde ich auch nie sein. Ich fand die Fotos passend zum Album. Es war für mich so eine explosive Phase in den letzten acht, neun Monaten. Ich hatte keine richtige Ahnung, was auf das Album raufkommen wird. Ich wusste nur, ich muss irgendetwas machen. Ich bin das dann eher offensiv angegangen und habe gesagt, ich schreibe jetzt ganz viel selber. Dann habe ich so viel Energie aus dem Schreiben für mich gezogen und brauchte ein Coverbild, das diese Energie auch wiedergibt.
In letzter Zeit sieht man Sie öfter in TV-Talkrunden?
Ja, man hatte mich sogar zu einer Quizrunde eingeladen. Ich finde es spannend. Gerade wenn ich meine Promotionzeit habe, versucht Elke Krüger, die mein TV-Management macht, die Zeit für mich so interessant wie möglich zu gestalten. Wenn ich nur Konzerte geben würde, wäre das für mich auch sehr monoton. Für mich ist das ein Abenteuerurlaub im Fernsehen.
Das heißt, Sie sind lockerer geworden?
Vielleicht bedeutet es, dass ich mir jetzt mehr Sachen zutraue als noch vor einigen Jahren. Ich habe auch Spaß an Dingen, die nicht mit Musik zu tun haben.
Im Booklet-Text bedanken Sie sich bei Ihrem Berliner Anwalt Christoph Schmökel. Gibt es so viele Rechtsfragen rund um ein Crossover-Album zu klären?
Ab und zu gibt es in meinem Bereich Vertragsfragen, weil die langfristig gemacht werden. Da braucht man einen Anwalt, dem man absolut vertraut. Insofern ist er auch ein Teil meines Teams. Herrn Schmökel kenne ich bestimmt schon seit 20 Jahren. Damals war er auch noch Chef der Deutschen Grammophon, als ich dort mit 12 oder 13 Jahren unterschrieben habe. Ich finde es selbstverständlich, dass man sich nach einer so langen Zusammenarbeit mal bei jemandem bedankt, selbst wenn er nicht unmittelbar etwas mit dem Album zu tun hat.
Das Album ist eine bunte Mischung mit "Fuel" von Metallica, Baroque Fantasy oder Ritmo españiol. Haben Sie eine Lieblingsgeschichte zu einem Stück?
Alle Eigenkompositionen haben natürlich ihre eigene Geschichte. Ich habe ja auch dieses Album, wie alle anderen zuvor, nicht in ein paar Wochen in einem bestimmten Studio gemacht, sondern sie sind alle an verschiedenen Orten der Welt entstanden. Eine amüsante Geschichte ist vielleicht: Ich war zum ersten Mal auf Tour in Südamerika und habe "Adventure Island" wirklich bis fünf Minuten vor dem Auftritt geschrieben und eingespielt, weil ich so viel Spaß an dem Stück hatte.
Bei Michael Jacksons "They don't care about us" spielt Valentina Babor mit. Sie haben auch das Album der jungen Pianistin produziert. Was muss eine Crossover-Elevin haben, damit Sie auf sie aufmerksam werden?
Naja, in allererster Linie muss mich jemand in der Klassik beeindrucken. Das ist mein musikalisches Zuhause, und für mich ist Klassik die Voraussetzung für gutes Crossover. Also wenn jemand sehr talentiert ist und ein hohes musikalisches Verständnis hat, dann kann man sich über Musik unterhalten, eben auch über die Klassik hinaus. Ich habe Valentina in München vor gut einem Jahr kennen gelernt. Wir haben uns musikalisch gut verstanden. Ich bin sehr zufrieden mit unserem Projekt.
David Garrett: Recital 2016 - mit Julien Quentin am Klavier. Vom 9. bis 31. Mai 2016. In der Berliner Philharmonie am 16.5.David Garrett mit Band und großem Orchester - Explosive Live! Vom 17.11. bis 7.12. 2016. In der Berliner Mercedes-Benz Arena am 26.11.