Ein Preis für David Garrett
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Ну очень резкая реакция на вручение Дэвиду Музыкальной премии Франкфурта 7 апреля 2017 года...
von Malte Hemmerich Malte Hemmerich , 07.04.2017
Sonst berichten wir an dieser Stelle von historischen Ereignissen der Musikwelt, Uraufführungen großer Werke oder schreiben über weit zurückliegende Geburts- oder Todestage großer Komponisten. Heute schreiben wir über heute. Denn heute geht der geschichtsträchtige Frankfurter Musikpreis an den Geiger David Garrett. Er ist damit der erste Crossoverkünstler, der diese Auszeichnung erhält, dazu noch in der Kategorie „Klassikkünstler“. Also: Ein historischer Tag.
Ausgezeichnet werden laut Preis-Satzung „Persönlichkeiten mit außergewöhnlichen Leistungen in der Interpretation, Komposition, Musikwissenschaft, Lehre und Förderung des Musizierens." Das gilt bestimmt für die Reihe großer Preisträger wie Georg Solti, Györgi Ligeti und Harry Kupfer. Stimmt es auch für den blonden Teufelsgeiger?
Und was bedeutet dieser Preis für Garrett? Die 15.000 Euro Preisgeld sind Peanuts für einen, der Millionen Platten verkauft und Riesenhallen füllt. Aber das Renommee steigt: Jetzt ist Garrett angekommen in der seriösen Welt der Klassikstars, nach den unzähligen Bambis und Echos aus der Industrie, ehrt nun eine unabhängige Jury sein künstlerisches Werk. Schließlich bringe er die Menschheit zur klassischen Musik wie kein anderer. Ein Kommunikationsgenie auf den Spuren Leonard Bernsteins also, ein Erleuchter, einer der anfixt. Einer, der deshalb gar nicht genug Auszeichnungen bekommen kann.
Da darf der Sänger Julien Prégardien, der sich nach der Entscheidung im Februar mit einem Offenen Brief zu Wort meldete, schimpfen wie er will:
»Ich möchte bezweifeln dürfen, dass durch Crossover-Projekte das Verständnis für klassische Musik vertieft würde, oder dass auch nur ein Besucher einer Show von David Garrett ein Violinkonzert im traditionellen Rahmen wertschätzen lernt. Natürlich: wenn David Garrett beispielsweise das Tschaikowsky-Violinkonzert mit dem Frankfurter Museumsorchester in der Alten Oper Frankfurt spielt, dann kommen seine Fans auch ins ‚Museum’. Aber eben seinetwegen, nicht wegen des Inhalts.«
Julian PrégardienDass das Publikum innerhalb der Garrettblase bleibt, überrascht nicht wirklich, und auch die weitere Begründung, der „hohe Erlebnis-Faktor" der Crossoverkonzerte des Teufelsgeigers leuchtet nicht ein: Wer nach den erlebnisreichen wie sinnebetäubenden Verhackstückelungslasershows überhaupt in ein klassisches Konzert geht, wird aufgrund falscher Erwartungshaltungen zweifellos enttäuscht werden. Bloß Männer im Frack, Licht an Licht aus, langweilt mich, langweilt mich.
Also wird wohl andersrum ein Schuh draus. Die Star-Power des Preisträgers bescheint den Preis. Er hatte ein hartes Jahr, mit schlüpfriger Presse, die weniger resiliente Künstler ins Off bzw. Dschungelcamp katapultiert hätte. Heute fliegt er in die Frankfurter Paulskirche ein wie Phönix aus der Asche. BILD revanchiert sich für eine Reihe von Hingucker-Geschichten und verlost Karten für das Event, überhaupt war die Berichterstattung in allen Medien laut, und nun noch wir.
Folgen bald Preisträger wie Lindsey Sterling und Dark Tenor; erobern Crossover-Künstler demnächst auch den Siemens-Preis? Und wer weiß: Vielleicht ist der heutige Tag ja in der Rückschau sagen wir des Jahres 2020 tatsächlich eine Musikgeschichte, erinnerungswerter Einschnitt, der die Musikwelt spaltete und einen Wandel auslöste. Bis dahin wollen wir ihn lieber ignorieren.
?
Oh, das ging schief.